Klanglandschaften gestalten

Auswirkungen          Grundlagen der (Raum-)Akustik          Klangraumgestaltung

Klang ist alles andere als zufällig. Wir formen die Umgebung mit unserem Tun akustisch mit. Jede bauliche Massnahme hat Einfluss auf die klangliche Erscheinung eines Ortes. Daher können wir, insbesondere jedoch Personen aus den Bereichen Architektur, Städte- und Landschaftsbau sowie Akustik, die Klanglandschaft aktiv gestalten, um eine bessere Klangqualität und damit mehr Lebensqualität zu erreichen.

Dies setzt jedoch Grundkenntnisse in Akustik voraus – was klingt weshalb wo wie? Erst dann lassen sich Fragen wie diese beantworten: Mit welchen Mitteln können wir unsere eigene Klanglandschaft beeinflussen? Worin unterscheidet sich der Klang einer mittelalterlichen Altstadt von einer asphaltierten Hauptstrasse? Inwiefern tragen Bäume zu einer angenehmeren Klangumwelt bei?

Klangraumgestaltung, insbesondere die akustische Gestaltung von Städten, wird zur Zeit vielerorts diskutiert und erforscht. Die Fachstelle Lärmschutz (FALS) des Kanton Zürichs und die Abteilung Lärmschutz des Kantons Basel-Stadt hat folgende Publikation zur Klangraumgestaltung herausgegeben:

Klangqualität für öffentliche Stadt- und Siedlungsräume. Eine Planungshilfe für das Ohr. Von Trond Maag, Tamara Kocan und Andres Bosshard (2016)

Die in der Broschüre beschriebenen 13 Prinzipien werden weiter unten vorgestellt.

Zudem befassen sich auch die zwei älteren Broschüren (Lärminfo 17 und 19) der FALS mit der Klangraumgestaltung:
Klangraumgestaltung – Chancen im Lärm (Lärminfo 17) richtet sich an Personen, die sich mit der Planung und Gestaltung unserer Städte und Landschaften auseinandersetzen. Der Bericht zeigt u.a. anhand fünf Fallbeispielen im urbanen Raum des Kanton Zürichs, inwiefern die Klangräume an jenen Orten verbessert werden können. Die Lärminfo 19 Frag die Fledermaus ergänzt die Lärminfo 17 und bietet konkrete Lösungsansätze und Denkanstösse für eine qualitativ gute Akustik.

Die Lärminfos und weitere Merkblätter finden Sie hier. Gedruckte Exemplare können kostenlos unter fals@bd.zh.ch bestellt werden.

Erwähnenswert ist auch die COLLAGE – Zeitschrift des Fachverbands der Schweizer RaumplanerInnen FSU
sowie das Projekt Stadtklang der Hochschule Luzern.

Auswirkungen des Klangs

Klangqualität lässt sich nicht messen, sondern hörend wahrnehmen. Menschen halten sich meist unbewusst länger und öfter an Orten mit guter Klangqualität auf. Wie ein Raum klingt, hängt im Wesentlichen von seiner Inszenierung, Formgebung, Anordnung und den materiellen Gegebenheiten ab. Hierbei spielen alle akustisch wirksamen Eigenschaften eines Materials eine Rolle: Beschaffenheit und Form der Oberfläche, Dichte und innere Struktur, Grösse sowie Distanz/ Position zu anderen im Raum vorhandenen Materialien. Materialien beeinflussen nicht nur die Bedingungen der Klänge, sondern auch unsere Emotionen, denn: Hörqualität bedeutet Lebensqualität.

Unsere Städte und Landschaften vergrössern und verdichten sich kontinuierlich. Damit verändert sich auch die klingende Umwelt, welche vielerorts belastend – als Lärm – empfunden wird. Damit wir nicht im Lärm versinken und unserer Psyche und Physis langfristige Schäden zufügen, müssen wir uns vor ihm schützen.
Lärmschutz wird vorwiegend im Sinne von Bekämpfung vorgenommen. Daraus resultieren jedoch unbefriedigende bauliche Massnahmen, wie z.B. hohe Lärmschutzwände, die nur das Symptom, nicht jedoch das Problem langfristig beheben. Andere Wege sind erforderlich, um unsere Lebensräume – insbesondere die städtischen – hörenswerter zu machen.

Grundlagen der (Raum-)Akustik

Schallwellen sind omnipräsent. Schall bedeutet die Ausbreitung von kleinsten Druckwellen infolge Dichteschwankungen in der Luft. Wie eine Schallquelle im Raum klingt, ist abhängig von den akustischen Eigenschaften eines Raumes. Dank akustischen Phänomenen wie Reflexion und Resonanz können wir räumlich hören und uns orientieren. Jedes Bauwerk ist an der Ausbreitung von Schall beteiligt, wodurch es automatisch auch unser (räumliches) Hören beeinflusst. Diese zwei akustischen Mechanismen

  1. die Schallausbreitung der akustischen Quelle sowie
  2. die Beeinflussung unserer Fähigkeit des räumlichen Hörens

sind wesentlich beim Verständnis und der Planung von Klang(raum)qualität.

Nicht nur Gebäude, Strassen oder Plätze, sondern auch die Natur (Begrünung, Gewässer) artikuliert den Klang. Eine kurze Beschreibung des Schallverhaltens:

  • Wird der Klang / die Schallenergie verstärkt, so spricht man von Resonanz. Kaum hörbare Schwingungen werden durch den Resonanzkörper (zu Vergleichen mit einem Geigenkörper) hörbar gemacht. Solche Resonanzkörper sind in unserem Alltag zahlreich vorhanden und verursachen häufig Lärmprobleme, da sie im Gegensatz zum Geigenkörper nicht gestimmt sind.
  • Reflexion: glatte Oberflächen reflektieren den Schall. Flaches, hartes Material wie z.B. Asphalt oder Glas lässt den Schall abprallen, ohne ihn zu absorbieren. Umgebungen mit vielen glatten Oberflächen aus homogenen Materialien klingen entsprechend härter und lauter.
Grosse Glasflächen (wie hier in Manhattan) an parallel stehenden Fassaden werfen den Schall hin und her, machen lauter und führen zu Lärm in den Lücken der Gebäude.
Grosse Glasflächen (wie hier in Manhattan) an parallel stehenden Fassaden werfen den Schall hin und her, machen lauter und führen zu Lärm in den Lücken der Gebäude.
  • Diffusion: Poröse und raue Oberflächen sorgen für einen weichen Klang. Der Schall wird gestreut, was vor allem bei kleinteiligen Oberflächen und Materialien wie Holz und Natursteinmauern, aber auch bei Pflanzen der Fall ist. Aufwendig verzierte Sandsteinbauten, die typisch für den klassizistischen Baustil sind, wirken sich zum Beispiel aufgrund des porösen Materials und der variierenden Fassadenstruktur positiv auf den Raumklang aus.
  • Absorption: Im schalldichten Raum werden fast alle Geräusche absorbiert, quasi aufgeschluckt, es findet nahezu keine Reflexion des Schalls statt. Menschen halten es in einem solchen Raum nicht lange aus, da die fehlende Reflexion zu Orientierungsschwierigkeiten führt und es schlichtweg zu geräuscharm ist.
Schalldichter Raum
Schalldichter Raum

 

Für mehr Informationen zur Raumakustik besuchen Sie bspw. Lärmorama.ch. Besonders empfohlen sei der Raumakustik-Rundgang:

  hören sie hier wie sich der Klang der Stimme in unterschiedlichen Räumen verändert.

Klangraumgestaltung

Ein Klangraum besteht aus dem Klingen räumlicher Zusammenhänge. Die Gesamtheit der Klänge in der Öffentlichkeit nehmen wir als „Raum“ wahr. Bei der Klangraumgestaltung ist die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen gefragt: Raumplanung, Architektur, Akustik, Stadtplanung, Musik und Komposition.

In die Planung und Gestaltung von Städten und Landschaften sollten immer auch klangraumplanerische Überlegungen miteinbezogen werden, denn die Akustik wirkt sich unablässig und in vielfältiger Weise auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen aus. Ein akustisch vorteilhafter Effekt wird erzielt, wenn die gestalterischen Eingriffe als Teil der Dynamik des Ortes begriffen werden.

Viele Bauvorhaben lassen Klangliches ausser Acht. Massnahmen zur Lärmminderung sind zwar wichtig, doch nur selten sind sie akustisch sinnvoll, d.h. sie führen nicht zwingend zu einer Verbesserung der Klangqualität. Lärmbekämpfung konzentriert sich meist nur auf das Volumen, doch sind Dämpfungsmassnahmen alleine keine gute Lösung; die Klangqualität wird dadurch nicht verbessert.

An dieser Stelle sollen akustische Gestaltungsprinzipien vorgestellt werden, um eine nachhaltige akustische Optimierung zu erzielen.

Die Fachstelle Lärmschutz des Kanton Zürichs bietet in den beiden Publikationen Klangqualität für öffentliche Stadt- und Siedlungsräume sowie Akustisch gute Architektur für Strassenräume verschiedene Lösungsansätze für die akustische Gestaltung von Stadt-, Siedlungs- und Strassenräumen. Hier seien die 13 Prinzipien von Trond Maag, Tamara Kocan und Andress Bosshard vorgestellt.

Boden

Der Boden ist wesentlich an der akustischen Qualität eines Raumes beteiligt. Anzustreben ist eine möglichst grosse Vielfalt an Bodenmaterialien, um akustische Monotonie zu vermeiden (Prinzip 1). Glatte Oberflächen wie Asphalt oder Marmor reflektieren hart und machen eine Umgebung lauter, während natürliche, poröse Materialien wie Kies, Kalk, Holz, Sandstein etc. akustisch vielfältig reagieren, das heisst sie streuen und/ oder absorbieren Schall.

Unterschiedliche Bodenstrukturen und -materialien wirken sich auch unterschiedlich auf den Klang aus. Anzustreben ist eine möglichst grosse Materialvielfalt, um akustische Monotonie zu vermeiden.
Unterschiedliche Bodenstrukturen und -materialien wirken sich auch unterschiedlich auf den Klang aus.

Schritte gelten als wichtiges klangliches Indiz. Auf Asphalt klingen Schritte viel härter und dumpfer als auf Kiesboden. Zum Vergleich – der Klang von Schritten auf Steinboden und auf einer Wiese:

 

Klanglich vorteilhaft wirkt sich eine abwechslungsreiche Gestaltung in Bezug auf Masse und Proportion aus. Die akustische Vielfalt der Bodenmaterialien wird durch eine Gliederung (Prinzip 2) wirksam, denn auch bei der Bodenfläche gilt: Monotonie vermeiden. Es ist bspw. besser für das Ohr, wenn sich die Flächen für FussgängerInnen von den Asphaltflächen für den Verkehr unterscheiden. Nicht nur das Material und die flächenmässige Gliederung sollten variieren, sondern auch das Terrain in seinen Höhen und Tiefen (Prinzip 3). Durch Neigungen und verschiedene Höhen im Gelände entstehen besonders variantenreiche Klangräume, die körperlich und räumlich wahrnehmbar sind.

Kleine Bauten und Objekte

Einzelne Objekte wie Sitzbänke, niedrige Mauern, Pfosten oder Pflanzentröge können den Klang insofern verbessern, als sie ihn streuen, reflektieren und resonieren – dies gilt insbesondere dann, wenn die einzelnen Objekten in Gruppen platziert werden, weil sich so die unterschiedlichen akustischen Wirkungen addieren. Mehrere, verschiedene Objekte können hörbar gegen akustische Langeweile wirksam sein (Prinzip 4).

Nicht nur kleine Objekte, sondern auch grössere, freistehende Objekte und Bauten (z.B. Kioskhäuschen, ÖV-Haltestellen) beeinflussen den Klang. Die grossen Flächen und massiven Körper streuen den Verkehrslärm und reflektieren Nahgeräusche, sodass man sich in der Nähe solcher Kleinbauten gut verständigen kann (Prinzip 5). Besonders positiv wirken sich Objekte mit runden und gewölbten Flächen sowie zylindrischen Körpern aus.

Als klangraumplanerisch gutes Beispiel fungiert der Limmatplatz: Die hier platzierten, verschieden grossen Zylinder reduzieren den tieffrequenten Schall von Trams und Lastwagen. Der Platz wird als angenehm und offen wahrgenommen. Sind in einem Stadtraum alle Oberflächen von Gebäuden und Objekten flach und gerade sowie kubisch geformt, verstärken sie den Lärm – vor allem dann, wenn der Boden ebenfalls hart und flach ist.

Der Limmatplatz in Zürich: Dank der Bauweise des Tramhäuschens mit den Glas- und Stahlzylindern ist der verkehrsreiche Platz weniger lärmig.

Fassaden und Wände

Bei Fassaden und Wänden gelten fast die gleichen Gestaltungsprinzipien wie bei den Böden: Wichtig ist eine Vielfalt bei den Wandmaterialien, eine Gliederung der Flächen sowie ein intelligentes, rücksichtsvolles Anordnen der einzelnen Gebäude.
Gebäudefassaden haben einen besonders grossen Einfluss auf die Akustik in Stadt- und Siedlungsräumen. Hierbei spielt das Material der Fassade eine ebenso wichtige Rolle wie die Anordnung/ Gestaltung der grossen Flächen. Bei den Wänden gilt es, Monotonie zu vermeiden – dies bezieht sich sowohl auf die Materialien (Prinzip 6) als auch auf die Flächengestaltung (Prinzip 7). Holz oder Naturstein ist besser als eine Betonwand (mehr akustische Variation). Glatte und flache Oberflächen wie z.B. Glas sorgen für einen monotonen Raumklang und sind akustisch problematisch. Daher sollten grosse Glasflächen vermieden oder nur in Kombination mit anderen Materialien verwendet werden.

Grosse Wände werden ähnlich wie grosse Bodenflächen optimalerweise gegliedert (Prinzip 7). Mit Variation und Abwechslung im Aufbau und in der Materialwahl kann akustische Langeweile verhindert und eine bessere Klangqualität im Nahbereich erzielt werden. Eine Gliederung lässt sich beispielsweise mit Kletterpflanzen erzielen.

Nicht nur eine einzelne Wand an sich, sondern die Kombination, das Zusammenspiel aller vorhandener Flächen und Fassaden muss bei der Raumplanung bedacht werden (Prinzip 8). Denn: Einen Einfluss auf die Akustik haben Aufbau, Baumaterial und Geometrie aller Wände. Stehen sich bspw. zwei Häuser parallel gegenüber, wird der Schall besonders oft reflektiert. Sind die Fassaden zudem aus Glas, ist dies akustisch besonders ungünstig (Mehrfachreflexion). Diese Hinweise gelten v.a. für Erdgeschosse, denn hier halten sich die Menschen auf, hier summieren sich akustische Eigenschaften des Bodens und diejenigen der Fassaden.

Freiraumplanerische Mittel

Bei der Gestaltung von Freiräumen werden idealerweise Elemente wie Wasser, Wind und Vegetation in die Pläne miteinbezogen, denn mit diesen lässt sich die Klangqualität verbessern und bereichern (Prinzip 9). Alleine der konstante Klang eines Trinkwasserbrunnens kann viel bewirken – nicht zuletzt weil Wassergeräusche als angenehm empfunden werden. Wasserklänge sind im Stadtalltag überraschende, planbare und äusserst vorteilhafte Klangquellen, die den Umgebungslärm überdecken können. Ebenso sorgen Bäume mit ihren im Wind raschelnden Blätter für akustischen Reichtum. Bäume wirken sich positiv auf den Klangraum aus, da sie sämtliche Geräusche nuancieren. Zudem werden Pflanzen von Tieren heimgesucht, deren Stimmen die Umgebung prägen. Singvögel sind in der Stadt willkommene Geräuscherzeuger.

Öffentliche Räume können auch mit Klanginstallationen aufgewertet werden (Prinzip 10). Dabei werden bspw. die in einem Raum vorhandenen Klänge aufgezeichnet, mit andern Geräuschen vermischt und neu wiedergegeben. Solche künstlerischen Interventionen sensibilisieren das Ohr für Alltagsgeräusche.
Es geht darum, hörenswerte Orte zu schaffen und diese mit Fusswegen zugänglich zu machen (Prinzip 11). Ein solches Beispiel wäre der Zürcher Lindenhof: Die Grünanlage befindet sich zwar mitten in der Stadt, stellt aber ein sehr hörenswerter Ort dar. Die Klangqualität wird durch den Kiesboden, die Begrünung, die Architektur/ Anordnung des Raumes und die Lage begünstigt. Der Platz lädt zum Verweilen und (Stadtklang) Hören ein.

Die Akustik auf dem Zürcher Lindenhof ist hervorragend. Begehen Sie sich auf diesen Platz und hören Sie der Stadt zu – Sie werden staunen, wie weit man hören kann.

Siedlungen


Wie kann die Klangqualität bestehender Siedlungen verbessert werden? Eine Optimierung betrifft vor allem modernere Siedlungen, denn in Altstädten ist die Akustik aufgrund vieler Faktoren günstig. Neuere Gebäude werden vielfach gleichmässig angeordnet (Parallelen entlang der Strassen), was zu einer monotonen Akustik führt. Zudem sind die vielen glatten Wandoberflächen lärmverstärkend. Akustisch optimieren lassen sich (neue) Siedlungen bspw. folgendermassen:

  • reichlich Begrünung und Wasser
  • an den Gebäuden selbst: Glatte Flächen vermeiden, stattdessen feingliedrige Elemente wie Fensterläden, Balkone und geeignete Materialien (vgl. Prinzip 3) verwenden
  • Verzicht auf Parkplätze, Tiefgaragen, Lüftungsanlagen etc. in Wohnsiedlungen
  • keine parallele Ausrichtung von Neubauten, sondern versetzt, gegenüber der Strasse leicht abgedreht