Klanglandschaften kennenlernen

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Was sind Klanglandschaften? Seit wann werden sogenannte Soundscapes erforscht? Und was ist speziell am Klanglichen? Antworten auf diese Fragen finden Sie hier!

Definition

Eine Klanglandschaft (engl. Soundscape) bezeichnet die Gesamtheit aller hörbaren Klänge in einer räumlich begrenzten Umgebung. Sie ist als gesamte akustische Hülle, die den Menschen in seinem Alltag umgibt, zu verstehen. Diese akustische Umwelt umfasst alle Arten von Klängen; natürliche, menschliche und technische, aber auch Musik. Klanglandschaften sind nicht nur vor unserer Tür zu finden; auch die Sounds in den eigenen vier Wänden bilden eine Klanglandschaft.
Jeder Ort zeichnet sich durch seine spezifische Klanglandschaft aus – diese ensteht erst durch das Zusammenspiel aller vorhandenen Klänge.

Soundscape, der englische Begriff für Klanglandschaft und ein Konglomerat aus „sound“ und „landscape“, hat sich auch im deutschsprachigen Raum etabliert.

Soundscape-Forschung

Die Anfänge der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Klanglandschaften lassen sich auf die späten 1960er Jahren datieren: Damals begann der kanadische Musikwissenschaftler Raymond Murray Schafer mit der systematischen Beschreibung von Klangumwelten. Im Rahmen des World Soundscape Projects erforschte er sowohl die einzelnen Klänge der alltäglichen Lebenswelt als auch deren Zusammenhänge und folgerte daraus ein Hörpanorama (eine soundscape) der unmittelbaren Umgebung. Nach Schafer war die akustische Umwelt eine riesige Komposition, wobei jeder einzelne Mensch, das Tierreich sowie die Natur Bestandteil davon ist. Mit seiner pionierreichen Arbeit hat er sowohl das Forschungsfeld Sound Studies als auch die Grundzüge einer eigenen, qualitativen Methodik der Klangforschung entwickelt.

R. Murray Schafer und sein Team des World Soundscape Project (1973)
R. Murray Schafer und sein Team des World Soundscape Project auf Geräuschejagd (1973)

Das Ziel dieser Forschung bestand in der Beschreibung und positiven Veränderung der akustischen Umgebung. Nicht die Verdrängung des Lärms, der die Städte zu überfluten droht, sondern ein achtsamer Umgang mit der Geräuschfülle – das aktive Wahrnehmen der eigenen Lautsphäre – forderte Murray Schafer. Elementar hierbei war (und ist nach wie vor) ein fokussiertes Hören, ein Sensibilisieren des Gehörsinns, was mit Hörmethoden trainiert werden kann (siehe erkunden).

Beeinflusst von Schafers Arbeit findet seit den 1990er Jahren ein umfassender interdisziplinärer Soundscape-Diskurs statt. Insbesondere in den 2010er wird der Thematik sowohl im künstlerischen als auch im wissenschaftlichen Bereich viel Aufmerksamkeit geschenkt. Schafers Vision einer bewusst gestalteten, hörenswerten akustischen Umwelt ist auch heute noch hochaktuell – allerdings lässt die Umsetzung zu wünschen übrig.

Besonderheiten

Die Erforschung von Klang(landschaften) bringt gewisse Besonderheiten mit sich: Klang ist flüchtig und lässt sich daher nicht so leicht festhalten wie Sichtbares auf Foto oder Video. Es ist schwierig, eine Hörsituation zu erfassen und adäquat zu beschreiben. Ohne technische Aufzeichnung kann man sich heutzutage Ohrenzeugenschaft kaum vorstellen. Aufnahmen von Klängen gibt es erst seit den 1870er Jahren; wie die Welt zu Napoleons Zeiten geklungen hat, können wir daher nicht nachvollziehen. Erst seit den technischen Errungenschaften ist es möglich, Klänge zu konservieren, analysieren und verändern.

Wie der Sound vergangener Epochen erforscht werden kann und was die Veränderung der Klänge im Laufe der Zeit bedeutet, erfahren Sie in diesem Video:

   der klang der welt

Dank Soundarchiven gehen die Klänge der Vergangenheit nicht gänzlich verloren. Viele Sounds aus vergangenen Zeiten beherbergt beispielsweise die österreichische Mediathek.

Wer kann sich noch erinnern, wie eine Schreibmaschine klingt?

Eine weitere Besonderheit der Erforschung hörbarer Phänomene ist, dass die sinnliche Wahrnehmung im Alltag als auch in der Forschung beinahe als Selbstverständlichkeit gilt. Die europäische Kultur ist seit der Aufklärung eine Kultur des Sehens – wir fokussieren uns auf das Sichtbare und sind relativ unsensibel für akustische Wahrnehmungen / Hörbares. Dabei sind Klänge allgegenwärtig; die Ohren lassen sich nicht schliessen.